Die Forschung
CHIMPS-NET entwickelt und prüft neue familienbasierte, psychotherapeutische Interventionsmaßnahmen
Die Kinder und Jugendlichen sollen bundesweit frühestmöglich bereits während der Behandlung ihrer Eltern in der Erwachsenenpsychiatrie gesehen und ihnen mit ihren Familien im Rahmen eines gestuften Vorgehens (Stepped-Care-Modell) ein passendes Behandlungsangebot gemacht werden. Gesunde Kinder und deren Familien, sollen eine kurze Präventionsmaßnahme (CHIMPS-P) unter Beteiligung eines Sozialarbeiters erhalten; den psychisch belasteten, im Grenzbereich auffälligen Kindern und Jugendlichen wird eine Mischform aus Prävention und Therapie als Multifamilientherapie in Gruppen (CHIMPS-MFT) angeboten. Kinder und Jugendliche, die bereits eigene Symptome zeigen, werden gemeinsam mit ihren Familien in einer familienorientierten Therapie (CHIMPS-T) bei einem Psychotherapeuten behandelt. Kinder und Jugendliche, die in ländlichen Regionen wohnen und nur eingeschränkt Zugang zu den Versorgungsangeboten haben, soll eine Online-Intervention (i-CHIMPS) mit therapeutischer Begleitung angeboten werden. Eine genauere Beschreibung der neuen Versorgungsformen finden Sie unter Die Interventionen.
Bei nachgewiesenem Erfolg sollen die neuen Versorgungsformen bundesweit in die Regelversorgung übernommen werden.
Ziel des Projektes ist es, in jedem Bundesland an mindestens einem Standort für Kinder und Jugendliche mit psychisch kranken Eltern Versorgungsformen bereitzustellen, die sich am Bedarf der jeweiligen Familien orientieren. Die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen von psychisch erkrankten Eltern (aber auch der Eltern selbst) soll verbessert werden. Außerdem geht es darum, die Krankheitsbewältigung und die Familienbeziehungen sowie die soziale Unterstützung der Familie zu stärken. Nach Beendigung des Forschungsvorhabens sollen die erfolgreich bewerteten neuen Versorgungsformen in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden. So kann einer Chronifizierung und der generationenübergreifenden Weitergabe von psychischen Erkrankungen begegnet werden.
Die Hauptfragestellung der Studie ist, inwiefern die vier neuen Versorgungsformen die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen (primäres Outcome-Kriterium) im Vergleich zur Regelversorgung verbessern. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob die neuen Versorgungsformen im Vergleich zur Regelversorgung zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit und Lebensqualität aller Familienmitglieder, der Familienbeziehungen, der sozialen Unterstützung, der Krankheitsbewältigung und Zufriedenheit (sekundäre Outcome-Kriterien) führt. Parallel werden die neuen Versorgungsformen hinsichtlich ihrer Kosteneffektivität untersucht.
Jede der vier neuen Versorgungsformen CHIMPS-P, CHIMPS-MFT, CHIMPS-T und i-CHIMPS wird im Rahmen einer multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie im Vergleich zur Regelversorgung auf ihre Wirksamkeit überprüft. Jede der vier Kontrollgruppen (KG) erhält die übliche Versorgung (treatment as usual; TAU). Jede der vier Studien enthält jeweils zwei Gruppen: eine Interventionsgruppe (IG) und eine Kontrollgruppe (KG). Die Datenerhebung erfolgt zu vier Messzeitpunkten: Vor Beginn der Intervention (Baseline) und nach 6, 12 und 18 Monaten. Erfasst werden die Perspektiven der Eltern, der Kinder und der Diagnostiker und Psychotherapeuten.
Das Model zeigt das schweregradgestufte und evidenzbasierte Stepped-Care-Modell für CHIMPS-NET zur Schaffung nachhaltiger und sektorenübergreifender psychosozialer Versorgung (Prävention und Therapie) von Kindern und Jugendlichen von 3 bis 18 Jahren mit psychisch kranken Eltern.
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Das Manual zur CHIMPS-Intervention
Die psychische Erkrankung eines Elternteils stellt eine enorme Belastung für die gesamte Familie dar und ist ein bedeutsamer Risikofaktor für die seelische Entwicklung der Kinder. Der Band beschreibt das familienorientierte Programm CHIMPs, welches auf einem Entwicklungsmodell und auf dem Familienberatungsansatz von William Beardslee sowie auf einer Bedarfsanalyse beruht. Ziel ist es, die Familien bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen und die Familienbeziehungen zu verbessern. Es handelt sich um ein psychodynamisches Konzept. Es ist für eine störungsübergreifende Anwendung konzipiert. Es eignet sich für den Einsatz bei Kindern ab drei Jahren und für Jugendliche bis ins junge Erwachsenenalter.
Das Buch stellt theoretische Grundlagen und präventive familienorientierte Ansätze in Deutschland vor. Es beleuchtet geschlechts-, entwicklungs- und altersspezifische Aspekte von Kindern psychisch kranker Eltern sowie die familiendynamischen Auswirkungen psychischer Erkrankungen. Im Fokus der klinischen Arbeit stehen die Art und Angemessenheit der Krankheitsbewältigung aller Familienmitglieder und die Qualität der Familienbeziehungen. Ziel ist es, diese Komponenten zu stärken und das Risiko, ebenfalls psychisch zu erkranken, für die Kinder und die Partner zu mindern. Die einzelnen Elemente der Eltern-, Kinder- und Familiengespräche werden praxisorientiert erläutert. Eingegangen wird zudem auf besondere Bedingungen der Beratung, wie z.B. den Umgang mit familiären und individuellen Krisen, schwierigen Gesprächssituationen und Fragen zur Kindeswohlgefährdung. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen die Vorgehensweise.
Zur Erstautorin: Prof. Dr. Silke Wiegand-Grefe ist Leiterin der Forschungssektion „Familienforschung und Psychotherapie“ an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) und ist Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der MSH Medical School Hamburg.
Wenn in Ihrer Familie mindestens ein Elternteil psychisch erkrankt ist und ein Kind im Alter von drei bis 18 Jahren im Haushalt lebt, können Sie als Familie an unserer Studie teilnehmen.
An 19 klinischen Standorten in Deutschland werden die neuen Versorgungsformen für Kinder und Jugendliche mit psychisch erkrankten Eltern eingeführt.