Warum sollte ich meinem Kind von meiner Erkrankung erzählen?
Manche Eltern denken, dass es besser für ihre Kinder sei, nichts von der Erkrankung zu wissen. Sie möchten ihre Kinder nicht durch das Wissen um die Erkrankung belasten. Auch befürchten betroffene Eltern oftmals, dass sie wegen ihrer psychischen Erkrankung stigmatisiert werden (d.h. von anderen in Schubladen gesteckt werden: „Die ist doch verrückt.“) und vertrauen sich daher niemanden an bzw. reden nicht mit ihren Kindern über ihre Erkrankung. Allerdings merken Kinder ohnehin, wenn etwas nicht stimmt. Wenn mit ihnen nicht offen darüber gesprochen wird, machen sie sich oft Sorgen oder überlegen, ob sie selbst Schuld an der gegenwärtigen Situation bzw. der Erkrankung sind. Deswegen ist eine ehrliche und offene Kommunikation sehr wichtig.
Ihr Kind hat danach vermutlich mehr Verständnis für Ihre Situation und macht sich weniger Sorgen, als wenn Sie es im Dunkeln lassen würden.
Wann erkläre ich es meinen Kindern?
Wenn entschieden ist, mit dem Kind über die eigene psychische Erkrankung zu reden, muss überlegt werden, wann ein guter Zeitpunkt dafür wäre. Manche Elternteile finden die Zeit vor dem zu Bett gehen gut, andere bevorzugen das gemeinsame Abendessen und wieder andere reden bei einer Autofahrt darüber. Das wichtigste dabei ist jedoch, dass sich sowohl das Elternteil als auch das Kind in der Situation wohlfühlen und nicht gestört werden.
Wie erkläre ich es meinen Kindern?
Viele Eltern machen sich Gedanken darüber, wie sie ihre Erkrankung ihren Kindern erklären können. Dies ist eine schwierige Situation für alle und daher ist es gut, sich bei Fachkräften (z.B. Psychotherapeut:innen) oder Beratungsstellen Unterstützung zu suchen. Auch gibt es Bücher bzw. Broschüren, die psychische Erkrankungen kindgerecht erklären.
Auch eine gute Idee ist es, die Partner:in miteinzubeziehen und davor mit ihm oder ihr darüber zu reden. Er oder sie kann dabei helfen sich zu überlegen, was man dem Kind erzählen sollte und wie man auf Rückfragen reagieren könnte.
Vielleicht hat Ihr Kind auch schon Anzeichen der Erkrankung bemerkt? In diesem Fall ist es eine Möglichkeit, die Unterhaltung damit zu beginnen. Ebenfalls hilfreich ist es, anfangs zu erwähnen, wie häufig psychische Erkrankungen vorkommen oder die psychische Erkrankung mit einem körperlichen Leiden zu vergleichen. Viele Menschen brechen sich beispielsweise im Laufe ihres Lebens mal einen Arm oder ein Bein und genauso entwickeln viele Menschen auch eine psychische Erkrankung.
Das Alter des Kindes beachten!
Je nach Alter benötigen Kinder unterschiedlich viele und detaillierte Informationen über die Erkrankung des Elternteils.
Wie Sie mit Ihrem Baby (unter 1 Jahr) kommunizieren, ist sehr wichtig, besonders dann, wenn es Ihnen nicht gut geht. Ihre Symptome, Stimmung und auch Verhalten hat einen Einfluss auf andere in Ihrer Umgebung und somit auch auf Ihr Baby. Es versteht zwar nicht, was Sie sagen, reagiert aber auf Ihre Emotionen und den Ton Ihrer Stimme. Seien Sie sich deshalb bewusst darüber, wie Sie auf Ihr Baby wirken und besprechen Sie dies bei Bedarf mit Ihrem Partner, einer Freundin oder einer Behandler:in. Um mit Ihrem Baby in Verbindung zu bleiben und ihm/ihr das Gefühl zu geben, sicher zu sein, ist es zum Beispiel hilfreich bei Blickkontakt zu lächeln, mit einer warmen Stimme zu sprechen, Ihr Baby zu halten und darauf zu reagieren, wenn es mit Ihnen in Kontakt tritt.
Bei Kleinkindern (1-6 Jahre) ist es beispielsweise ratsam, dem Kind zu sagen, dass man krank sei, aber dass das Kind auf keinen Fall Schuld daran habe und es auch nicht seine / ihrer Aufgabe ist, Mama oder Papa wieder gesund zu machen. Wenn Sie bereits in Behandlung sind, können Sie dem Kind auch gerne mitteilen, dass Ihnen jemand hilft.
Etwas ältere Kinder (6-12 Jahre) brauchen meistens mehr Informationen. Ihnen sollten Sie Ihre Erkrankung näher erklären und ihnen erlauben, Fragen zu stellen. Es sollte auch nicht bei einem einzigen Gespräch bleiben, das Thema sollte immer wieder aufgegriffen werden. So vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es in Ordnung und normal ist, über psychische Erkrankungen zu reden. Dabei ist immer zu berücksichtigen, was das Kind bereits versteht und was nicht. Medizinische oder psychologische Fachbegriffe sind mitunter weniger hilfreich, vor allem bei jüngeren Kindern
Bei Jugendlichen (13-18 Jahre) ist es häufig, dass sie sich um ihre Eltern sorgen, besonders wenn diese krank sind. Sie möchten wissen, woran ihr Elternteil erkrankt ist und ob es ihm bald bessergeht. Vielleicht haben sie auch Angst, ebenfalls psychisch krank zu werden. Jugendliche wissen möglicherweise schon einiges über psychische Erkrankungen. Ihnen Informationen über Symptome, Behandlungsmöglichkeiten und Ihren eigenen Weg zur Genesung zu geben ist hilfreich. Stellen Sie auch sicher, dass Ihr jugendliches Kind mit anderen darüber offen reden kann.
Bei dem Gespräch (unabhängig vom Alter der Kinder) ist es wichtig, dass Sie Ihrem Kind deutlich vermitteln, dass es keine Schuld an Ihrer Erkrankung hat und dass es nicht Aufgabe des Kindes ist, Sie bei der Genesung zu unterstützen.
Worüber man sonst noch sprechen kann:
- Was war der Auslöser für die Erkrankung und welchen Einfluss hatte dieser?
- Aber auch hier: nur so viel erzählen, wie man möchte und nicht unbedingt alle Details. Behalten Sie dabei folgende Frage im Hinterkopf: Ist die Information für mein Kind hilfreich und wichtig, um meine psychische Erkrankung zu verstehen?
- Welche Sorgen / Ängste / Bedenken hat das Kind?
Am Ende des Gesprächs sollten Sie betonen, dass es nicht bei diesem einen Gespräch bleiben muss. Ihr Kind sollte das Gefühl haben, bei Fragen, Bedenken und Sorgen zu Ihnen kommen zu dürfen und offen sprechen zu können.
Es ist wichtig und hilfreich für alle Beteiligten, sich immer wieder mit den Kindern darüber auszutauschen, auch im Beisein von anderen, wie Partner:innen, den Großeltern oder Freund:innen der Familie. Dadurch weiß das Kind auch, wer noch von der Erkrankung weiß und an wen es sich wenden kann, um darüber zu sprechen.
Verfasser:innen
Dr. Moritz Köhnen (M.Sc. Psych), Clara Bongartz (M.Sc. Psych.), Priv.-Doz. Dr. Jörg Dirmaier (Psychologischer Psychotherapeut)
Datum der Erstellung: 10.02.2022
Datum der letzten inhaltlichen Überarbeitung: 11.02.2022
Quellen
Textquellen
COPMI. (n.d). Talking about mental illness with your child. Retrieved from https://www.copmi.net.au/parents/helping-my-child-and-family/talking-about-mental-illness Stand: 03.09.21
Institut Kinderseele Schweiz. (n.d. ). Über psychische Probleme mit Kindern sprechen. Retrieved from https://www.kinderseele.ch/eltern/meine-familie/uber-psychische-probleme-mit-kindern-sprechen/ Stand: 03.09.21